Keine Angst vor dem Leben!
Gestern Nacht konnte einer weiteren Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen gelauscht werden. Das Nachstudio im ZDF hatte neben Götz Werner, dem Chef der dm-Kette, welcher die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen in den letzten Jahren massiv vorantrieb, und Michael Opielka, Professor für Sozialpolitik, auf der Pro-Seite den ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und den Soziologen und Experten für Vermögenskultur Thomas Druyen für die Contra-Seite eingeladen. Der Titel der Sendung lautete: "Einkommen als Menschenrecht - Die letzte große Vision?"
Es gab vor kurzem schonmal eine Diskussion über dieses Thema, aber allein der Titel ließ auf die schlechte Qualität schließen. Maybrit Illner leitete die Sendung, die auf den Namen: "Geld fürs Nichtstun?" hörte. Auch hier war Götz Werner auf der Pro-Seite, aber auch der Herr Althaus, Ministerpräsident in Thüringen (CDU). Die Contra-Seite hatten hier die SPD und die Grünen inne. Da mußte ich mir also anhören, daß die CDU meine Meinung vertritt und vermeindlich linke Parteien dagegen sind - eklig! Aber wie gesagt, diese Runde ist keiner weiteren Zeile würdig.
Gestern also, war alles im Lot: Visionär und Professoer, gegen Kapitalist und Soziologe! Die Diskussion war wie erwartet nicht der Hammer, aber immerhin besser als die Illner-Runde.
Den Soziologen hake ich am Besten zuerst ab. Ich meine, wer in einem Satz "Statistik" und "beweist" sagt, und dann auch noch tatsächlich meint, daß eine Statistik etwas beweist, der kann getrost überhört werden.
Kommen wir also zum Professor auf der Pro-Seite. Alles in Allem hat der sich offensichtlich mit dem Thema beschäftigt, nur leider holte er immer sehr weit aus. So zog er zum Beispiel die Hirnforschung heran, um die These zu untermauern, daß Menschen mit Angst und ohne Freude an der Arbeit unproduktiver sind, als Menschen ohne Angst aber Freude an der Arbeit. Das weite Ausholen hatte meist zur Folge, daß er unterbrochen wurde, ohne seinen Gedanken beenden zu können, was sehr schade war, denn seine Ausführungen hätten vielleicht beim Henkel ein Umdenken bewirken können.
Beim Henkel ist die Sache nämlich recht einfach. Ihm stand für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens einzig und allein sein Menschenbild im Weg. Der Ex-BDI-Chef meint nämlich, daß ein Mensch nur dann was Wert ist, wenn er arbeitet - wie übrigens der Großteil der Politiker. Das würde der Henkel zwar so nie sagen, aber das steckt dahinter. Der Mensch soll zwar unterstützung finden, aber eben als Bittsteller (ALG II) und nicht nur deswegen, weil er ein Mensch ist.
Götz Werner versuchte dem Henkel zwar die Sache zu erklären, aber wenn der Henkel einfach davon ausgeht, daß auch ein zum Bittsteller gezwungener Mensch, die im Grundgesetz garantierte Würde besitzt, dann kann mensch noch so lange reden.
Dabei wäre es doch so einfach: Jeder Mensch hat das Recht in Würde zu leben. Um Überleben zu können sind wir in unserer Gesellschaft darauf angewiesen ein Einkommen zu haben - da wir nicht hingehen können und unseren Lebensunterhalt anders zu sichern (z.B. durch die Bewirtschaftung eines kleinen stückchen Land). Dieses Einkommen steht dem Menschen also wegen seines Menschseins zu. Dafür fallen alle anderen Forderungen von staatlicher Seite weg. Also Kindergeld, Rente, Arbeitslosengeld, Steuerfreibeträge (die übrigens nur besserverdienenden Menschen was nutzt) und was es sonst noch so gibt. Im Gleichen Zuge werden die Lohnnebenkosten abgeschafft, dafür aber die Konsumsteuer erhöht. Das Absenken der Lohnnebenkosten und die Erhöhung der Konsumsteuer heben sich gegenseitig auf, sodaß das Endprodunkt für den Verbraucher nicht teurer wird. Soweit zum technischen Teil.
Aber das eigentlich Interessante an dem bedingungslosen Grundeinkommen ist etwas anderes: Es geht darum den Menschen die Existenzängste zu nehmen. Der Mensch, der eine Sicherheit im Hintergrund hat, die die Grundbedürfnisse stillen kann, der versucht sich auch an neuen Ideen oder sucht sich gar eine Arbeit, die ihm gefällt. Die Entfremdung der Erwerbsarbeit wird damit verkleinert. Klar ist, daß es auch mit Bedingungslosem Grundeinkommen Menschen geben wird, die nur des Geldes wegen, bzw. des Konsumgutes wegen arbeiten gehen. Aber die Möglichkeit sich auf das eigene Vermögen einzulassen wäre wenigstens gegeben.
Und dann gibt es ja noch all die Tätigkeite fernab der Erwerbsarbeit. Künstlerisches Tätigwerden, (nachbarschaftliche) Hilfeleistungen oder ehrenamtliche Tätigkeiten bleiben nicht länger denen vorbehalten, die sich das Leisten können. Heutzutage als nicht produktiv angesehene Akte (wie zum Beispiel die scharfsinnigen Gesellschaftsanalysen in diesem Blog) würden an Bedeutung gewinnen, die Leistung würde anerkannt werden.
Aber das alles funktioniert nur dann, wenn sich das Menschenbild weg vom Leistungsprinzip bewegt. Oder besser gesagt, wenn das Leistungsprinzip nicht nur Erwerbsarbeit als Leistung ansieht, sondern auch den Konsum, über den das bedingungslose Grundeinkommen ja finanziert wird.
Und damit wäre auch dieser Tag gerettet, dank sei .....dem bedingungslosen Grundeinkommen!
2 条评论:
Daß Hans-Olle Henkel durch Argumente zur Auflösung seines Betonschädels gebracht werden könnte, halte ich für eine gewagte Theorie. Der Typ ist wahrlich kein Philosoph (soll heißen: hat mit Denken nicht viel am Hut), und daß er ein Menschenbild besitzt, ist eher unwahrscheinlich - er dreht und wendet alle Sachverhalte, bis es seiner Zielgruppe genehm ist. Dabei geht es noch nicht mal im Entferntesten um Menschen.
Desweiteren halte ich es für eine gewagte These, daß ein Produkt nicht teurer wird, wenn die Produktionskosten (und das sind eben auch: Lohnnebenkosten) sinken (Resultat: größerer Profit) und gleichzeitig die Steuer auf die Produkte (für Unternehmen ein durchlaufender Posten) steigt. Das alleine veranlaßt Unternehmen nicht zwangsläufig, den Preis zu senken, und schon gar nicht zwangsläufig um die selbe Höhe. Ziel der Produktion ist es nicht, möglichst viele Produkte zu einem möglichst niedrigen Preis an die Leute zu bringen.
Davon abgesehen gehen wir eine lange Strecke d'accord. Daß der gesellschaftliche Fetisch "Arbeit" nicht mehr zu halten ist, sollte mittlerweile schmerzlich offensichtlich sein. Ich bin nur nicht 100%ig sicher, ob das "bedingungslose Grundeinkommen" die Lösung für dieses Problem ist - aber schaden kann's nicht, das ist klar.
Doch die Unternehmen des 21. Jahrhunderts haben sich mit dem Angstzustand der Leute arrangiert, ja sie bauen darauf. Diesen Zustand werden sie nicht aufgeben wollen.
Randnotiz:
Den Soziologen hake ich am Besten zuerst ab. Ich meine, wer in einem Satz "Statistik" und "beweist" sagt, und dann auch noch tatsächlich meint, daß eine Statistik etwas beweist, der kann getrost überhört werden.
Ich werde von dir überhört? Na danke.
Nicht, daß ich dieser oder jener Soziologe wäre, aber Statistiken sagen manchmal wirklich etwas aus - sie "beweisen" etwas. Das Problem ist natürlich, daß die wenigsten Leute tatsächlich Statistiken lesen (und auch nicht zwischen guten, soliden und schlechten, manipulativen Statistiken unterscheiden) können. Da können aber die armen Statistiken nichts für.
Was nicht heißt, das dieser oder jener Soziologe namens Thomas Druyen ordentlich mit Statistik umgehen kann. Vermutlich nicht. Aber du machst es dir etwas einfach.
@Julius: Den Soziologen habe ich sicherlich recht flott abgehakt, das ist wahr. Aber ich sehe das mit den Statistiken eben so:
Eine Statistik stellt einen Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Umfrage dar. Aber dieser Ist-Zustand gilt nur für die befragten Personen. Daß eine Statistik (wenn sie ordentlich gemacht ist) einen Trend für vergleichbare Menschen auch außerhalb der Befragten darstellt, gehe ich auch noch mit.
Aber einen Beweis ist das in meinen Augen nicht, sondern ein mehr oder weiniger scharfes Bild der Lage. Darüberhinaus ist es auch nicht das erklärte Ziel der Soziologie Beweise zu bringen. Die Soziologie ist eine sehr ungenaue Wissenschaft, die Ist-Zustände darstellt und hin und wieder einmal eine Prognose abgibt. Würde die Soziologie etwas beweisen, würden sie keine Prognose abgeben, sondern die Zukunft vorraussagen. Mag sein, daß ich da ein sehr festes Bild habe, aber nur weil die Sonne bisher jeden Morgen aufgegangen ist, ist das kein Beweis, daß sie auch morgen wieder aufgehen wird (daß die Sonne nicht aufgeht, sondern die Welt sich dreht, sei einfach mal geschenkt).
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